Peter Nagel

 

Als ich nach den ersten Studienjahren meine künstlerische Konzeption änderte, musste ich vieles aufgeben. Bis dahin
hatte ich kleinformatige Gouachen gemalt. Der Farbauftrag war fleckhaft und im überkommenen Sinn »malerisch«, die Farbigkeit tonig und lyrisch, sie lebte von einer Vielzahl technischer Raffinessen. Das erzählerische und spielerische Element herrschte vor. Ich ließ Landschaftliches und Figürliches aus der Bildstruktur entstehen, ohne mich dem Gegenständlichen direkt zu verpflichten. Durch weitgehende Abstraktion und Deformation konnte ich über Farbe und Form frei verfügen. Es machte Spaß, diese Bilder zu machen und sie anzusehen.

Mit der Zeit aber wurde die Technik immer minutiöser, die Blätter zu schön. Sie gingen zu schnell von der Hand. Auch störte mich, dass der Gegenstand zwar immer als Ziel vor Augen stand, er aber immer zum schemenhaften Träger von farblichen Reizen degradiert wurde. Der Zeitpunkt war gekommen, an dem ich die Konzeption in Frage stellte und mich schließlich von ihr ab wandte. Malerische Valeurs, der pastose Farbauftrag und nette grafische »Ausrutscher« wurden als erstes über Bord geworfen zugunsten einer fast plakativen Farbbehandlung mit starken Kontrastwirkungen. Weil die Malerei der letzten Jahrzehnte es bewußt vermieden hatte, auf der Leinwand eine Dreidimensionalität vorzutäuschen und das Bild in seinem Flächencharakter bestätigte, dies sogar forderte, reizte es mich, dieses Tabu zu durchbrechen. Und nicht nur das: Indem ich die großenteils vom Unterbewusstsein gesteuerte Malerei aufgegeben hatte, trat ich aus der Intimität hervor, um das Bild stärker zu objektivieren. Denn die Unverbindlichkeit der Bilder störte mich am meisten.

Auf der Suche nach Objektivität stieß ich – im ständigen Gedankenaustausch mit meinen ZEBRA-Kollegen – auf die Fotografie. Man sagt, die Malerei sei der Fotografie überlegen, weil sie das Psychische hervorkehren und das Individuelle verdeutlichen könne. Das ist richtig, es fragt sich nur, ob man das will. Wir nahmen diesen »Mangel« der Fotografie als unser Mittel, den Gegenstand kühl und distanziert zu präsentieren.

aus: 1. Zebra-Katalog 1968, Recklinghausen